Ausstellung 2003

Manuel Ocampo

Wunderkammer

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    Gästebuch zur Ausstellung mit kleiner Zeichnung des Künstler

Ausschnitt aus der Eröffnungsrede von Dr. Stefan Schrammel

Gegenwartskunst und Augsburg --- man möchte meinen, dass sich diese Begriffe gegenseitig ausschließen. Nach der Verbannung der Aphrodite von Markus Lüpertz im November letzten Jahres sind sowohl die Stiftertradition, als auch die über Jahrhunderte hinweg immer wieder bezeugten Hinwendungen der Stadt zu Qualität und Modernität in der Kunst massiv gestört. Kleinbürger haben über die Kunst gesiegt. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass auch wir uns weiter für die Gegenwartskunst engagieren.

Und dies wollen wir und unsere Freunde mit allen uns dafür zur Verfügung stehenden Mitteln tun. Mit Manuel Ocampo zeigen wir einen Künstler, der bewusst mit Befindlichkeiten arbeitet. Unsere Zeit ist geprägt von dem Versuch, alles Unangenehme, ja geradezu alles Zeitgenössische zu vermeiden. Das ist natürlich ein sehr bequemer Weg. Man möchte sich aber nicht ausmalen, wie arm wir heute wären, wenn dieses Prinzip die Kunstgeschichte vergangener Jahrhunderte geprägt hätte. Ocampo vermeidet nichts, er spricht die Dinge dort an, wo wir uns abwenden wollen. Auf diese Art den Horizont zu erweitern ist in unserer Stadt wichtig, umso mehr, als sich hier die Wahrnehmung von Gegenwartskunst oftmals auf massenwirksame Künstlernamen weitab jeder Avantgarde beschränkt.

Die Gesellschaft für Gegenwartskunst knüpft hier an ihre Ausstellungen mit Werkgruppen von Günther Förg, Albert Oehlen und Georg Baselitz an. Der Schwerpunkt der gezeigten Arbeiten liegt wieder auf dem Medium Papier, hat der Künstler doch eigens einen Zyklus von 40 Arbeiten geschaffen, die deshalb hier zum ersten Mal zu sehen sind. Der Titel "Wunderkammer" nimmt Bezug auf die große Zeit Augsburgs, die Renaissance, in der hier solche Raritäten- und Kuriositätenkabinette gepflegt wurden; nicht nur in Augsburg, sondern in ganz Europa waren sie Zeichen einer umfassenden Bildung. Neugier und Respekt vor natürlichen und künstlich gefertigten Objekten waren der Antrieb, solche Sammlungen aufzubauen. Die Aphrodite hat uns gezeigt, dass diejenigen, die eine solche Haltung nicht erkennen und deswegen auch nicht respektieren, hier und heute triumphieren. Unser Maßstab bleiben die Qualität und nicht der Publikumserfolg.

Eine solche Ausstellung kann nicht ohne Förderer realisiert werden. Für die großzügige Unterstützung, gerade in dieser sehr schwierigen Zeit, in der andere Nöte den Alltag bestimmen, möchte ich ganz herzlich der Augsburger Allgemeinen, der Stadtsparkasse Augsburg und der Stadt Augsburg selbst danken. Ebenso danke ich dem Büro bfp Bruckner, Fichtel und Partner, dem Ingenieurbüro Herbert Scheel sowie dem Büro für Architektur Hans und Stefan Schrammel. Ein wichtiger Beitrag zur Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas wurde so geleistet.

Danken möchte ich auch allen beteiligten Personen. Bärbel Gräßlin gilt mein Dank für ihr großes Engagement und die wieder sehr angenehme und unkomplizierte Zusammenarbeit. In den Galerieräumen in Frankfurt fand ein erster spontaner Kontakt mit dem Künstler statt. Philomene Magers zeigt zeitgleich in ihrer Galerie in München neue Bilder --- auch dadurch erhält das Projekt eine große Bedeutung. In unzähligen Stunden haben Doris Kettner und Sebastian Berz sich der logistischen Probleme angenommen. Ganz besonders möchte ich aber Manuel Ocampo danken, der die Ausstellung in Augsburg mit großer Professionalität und Leidenschaft vorbereitet hat. Die malerische und inhaltliche Dichte der Arbeiten ist beeindruckend und ich wünsche mir, dass die Besucher der Toskanischen Säulenhalle sich von Manuel Ocampos "Wunderkammer" begeistern lassen.


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Nina Möntmann, in: Art Now, Köln 2002


Manuel Ocampos Bilder erinnern auf den ersten Blick an politische Comics aus dem subkulturellen Bereich. Die Ähnlichkeiten zu diesem Genre liegen zum einen in der Kombination von Figürlichen aus politischen und popkulturellen Kontexten mit pornographischen Darstellungen, Fäkalischem und diverser sakraler Symbolik zu apokalyptischen Szenen und zum anderen in der medialen Glättung dieser heterogenen Bildquellen, die bei Ocampo mit einer gleichmässig behandelten Leinwand stattfindet. Eine Provokation seiner Bildquellen liegt darin, daß beispielsweise Votivbilder seiner philippinischen Heimat neben Hakenkreuzen oder KuKluxKlan-Kapuzen stehen. In einem Kontrast dazu steht die ausgeprägte strahlende Farbigkeit seiner Bilder. In der Kombination mit Schriftzügen erinnern die Arbeiten an die Gestaltung von Plattencovern, beispielsweise aus dem Heavy-Metal-Bereich.

Vielmehr als in einer stilistischen oder idiomatischen Kontinuität liegt das Prinzip der Kunst Ocampos in der collageartigen Zusammenführung von Gegensätzen: Tradition und Popkultur, Unschuld und Horror, Dekoration und soziale Kritik. Allegorisch eingesetzt widersetzen sich Ocampos Zeichenkombinatoriken einem kolonialistischen Blick auf die Kulturen sogenannter Entwicklungsländer. ...
Ocampos Malerei zeigt Schmerz und Qual als die Motoren, die die kolonialistische Geschichte angetrieben haben.

Sandra Danicke in:
Manuel Ocampo, Wunderkammer


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    Manuel Ocampo in seinem Atelier, Februar 2003. Im Hintergrund sind die für Augsburg enstehenden Papierarbeiten zu erkennen.

Das Bild vom Kapuzenträger gefällt ihm. Es ist so ambivalent wie er selbst, so widersprüchlich wie seine Arbeiten. In Spanien zum Beispiel ist ein Mann mit spitzer Kapuze ein Büßer. Auf den Philippinen erkennt man daran einen Freimaurer, einen antikolonialistischen Revolutionär. In den USA symbolisiert der Kapuzenträger ein Mitglied des rassistischen Ku Klux Klan. Manuel Ocampo ist Philippine. Er hat in Manila, Los Angeles, Rom und Sevilla gewohnt. Seine Identität ist eine multiple. Ist gprägt von Katholizismus und Kaugummi, von Marxismus und Mickey Maus, und der Schock, den der Betrachter seiner Bilder befällt, mag dem Kultuschock entsprechen, den Ocampo am eigenen Leibe erlebte. In seinen Gemälden treffen die großen, die größten Symbole zu einem grotesken Schauspiel zusammen. Manuel Ocampo, so scheint es, kennt keine Tabus. Der heiligen Mutter Gottes verleiht er Fledermausflügel und kombiniert sie respektlos mit Genitalien, Würsten und einem Hühnerbein. Die "Madonna der europäischen Union" trägt SS-Uniform und Engelsflügel.

Einem verknotetem Jesus am Kreuz fällt eine Schweinshaxe aus der Hand, ein anderes Mal wird er von einem Comic-Esel bestiegen, bis ihm die Spucke aus dem Mund läuft, Marx und Lenin teilen sich ein Bikini-Oberteil oder eine Hose. Das Dekorative in seinen Arbeiten stört ihn ebensowenig wie politische Anstößigkeit. Ocampo behauptet eine betont naiv anmutende Unbedarftheit, selbst historische Tragödien werden bei hm zur Farce. Auffallend häufig verwendet der Künstler zum Beispiel Haknkreuze in seinen Bildern. Wie der Kapuzenträger hat das Hakenkreuz ursprünglich mehr als nur eine Bedeutung, bloß vergisst man das gerne. Manuel Ocampo kombiniert das belastete Signum mit christlichen und marxistischen Symbolen, mit Innereien und Exkrementen, da kennt er gar nichts. Verwirbelt politische und religiöse Bedeutungsträger zu einer wuchtigen Geste, die ihr Aufgeblähtsein zugleich humorvoll thematisiert.

Ein Gericht nach Ausschwitz besteht bei ihm zum Beispiel aus organischen Haufen mit Füßen, Totenköpfen und Augäpfeln. Da hört der Spaß aber auf, könnte man denken, doe die Anstößigkeit ist bei Ocampo mehr als nur Pose. Demonstrativ degradiert er Adornos Diktum zur hohlen Phrase und stellt die Errungenschaften der Moderne an den Pranger. Politische Kunst habe zuweilen etwas sehr Herablassendes und Elitäres, sagt Ocampo, häufig beinhalte sie eine einzige Zurschaustellung der Überlegenheit des eigenen Bewusstseins. Das soll nicht heißen, dass seine Kunst keine Moral kennt, im Gegenteil: Ocampo zeigt die Welt als eine verkommen-dekadente, deren ausgeblutete Ikonen und Symbole kaum mehr als nur Kitschpotenzial aufweisen. Er entlarvt die Errungenschaften der Zivilisation als Heuchelei und führt uns das Chaos als kollektiven psychischen Zustand vor --- dies tut er jedoch nicht mit dem Zeigefinger des Moralisten, sondern mit einem schelmischen Augenzwinkern und der Lust zum Tabubruch.

Seine Szenarien sind Bild gewordene Apokalypsen: krasse Szenen voller Gewalt, Dekadenz, Blasphemie, die die Foltermethoden spanischer Kolonialherren ebenso abbilden wie die Insignien des Heavy Metal oder die Typologie von Splatter Movies. Eine Mischung aus Comicwelt und barocken Schlachtengemälden, versehen mit Sprechblasen, deren Inhalt hochtrabend scheint und sinnentleert ist: "A object expressing it's unthinkability as works of art", so ein Titel, ist vermutlich "comprehensible only to a few initiates" wie eine andere Aufschrift behauptet --- eine humorvolle Interpretation zum Thema Selbstreferenzialität von Malerei. Von diesen Seitenhieben auf die bedeutungsschwangere Attitüde im zeitgenössichen Kunst- und Kulturbetrieb hat Manuel Ocapo eine ganze Menge in petto: "A sculpture at rest before it self-consciously descends on a staircase full of nudes" bezeichnet ein umgefallenes Ölfass mit Klobürste, Rechen, Besen und Fensterwischer. Die Anspielung auf eine Ikone der Moderne, Marel Ducamps "Nude descending a staircase" (1912) kommt einer Gotteslästerung gleich. Manuel Ocampo stellt eben alles und alle in Frage, von Goya bis Joseph Kosuth. Das Auseinanderfallen von Zeichen und Bezeichnetem, seit den sechziger Jahren bevorzugtes Untersuchungsobjekt der Konzeptkunst, ironisiert der Künstler mit seinem eigenen philosophischen Überlegungen. Sätze wie "The image of the Thing vs. the Thing itself" schreibt er in zweifarbiger Schrift auf Leinwand --- und zwar vertikal. Vermutlich um die Sache noch ein wenig zu verklausulieren. man kann dann verwundert mit den Schultern zucken, wissend das Kinn in die Hand stützen oder einfach laut loslachen.

Mit Verve spuckt er uns die gesamte Kunstgeschichte vor die Füße und lässt die Besucher seiner Ausstellungen darauf herumtrampeln. Anders könnten sie sich in einigen seiner Schauen gar nicht fortbewegen, weil Ocampo die Bilder gern auf dem Boden ausbreitet --- und somit zu ihrer Entmystifizierung beiträgt und gleichzeitig ihre Abhängigkeit von den Wänden der Institutionen unterläuft. Mit Nonchalance ignoriert er jegliche Grenze, sei es die zwischen Malerei und Skulptur oder jene zwischen Hochkultur und Trivialkunst.

Der religiöse und kulturelle Exorzismus von Manuel Ocampo ist ein obssesives, ein schmerzhaftes aber reinigendes Unterfangen.


Installationsansichten

Aufnahmen: Fotografie GbR, Julia Schambeck & Ulrich Schmitt, München

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Werkauswahl


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    THE HIGHEST PRODUCT OF DISTRAUGHT BOURGOIS SELF-CONSCIOUSNESS | Öl, Acryl auf Leinwand | 152,5 x 122 cm | 2002
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    CRIPPLED BY THE MULTIPLE SINDS OF REGRESSION | Acryl auf Leinwand | 152 x 122 cm | 2002
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    TRADITIONAL FORMS OF DISSENT ENTERING CRISIS | Acryl auf Leinwand | 198 x 241 cm | 2002
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    THE STREAM OF TRANSCENDENT OBJECT-MAKING CONSCIOUSLY WORKING TOWARD THE GOAL | Öl auf Leinwand | 152,4 x 213 cm | 2001
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    HA HA WHAT DOES THIS REPRESENT? HAHA WHAT DO YOU REPRESENT? | Öl auf Leinwand | 213 x 152,4 cm | 2002
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    THE IMAGE OF THE THING VS. THE THING ITSELF | Öl auf Leinwand | 152 x 122 cm | 2002
Die Gesellschaft für Gegenwartskunst e.V. ist ein eingetragener, gemeinnütziger Verein mit Sitz in Augsburg. Ihr Engagement richtet sich auf die Förderung zeitgenössischer Kunst, mit Schwerpunkt Arbeiten auf Papier. Sie besteht seit 1993 und betreibt seit 1998 die Artothek im H2 - Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast.